Krisenmanagement strukturiert

Die Aufbau-Organisation

Warum braucht es für Ereignisfälle und Krisenlagen eine separate Organisation? Kann eine solche Krise nicht mit der bewährten Linien-Organisation und/oder den Management-Teams bewältigt werden, mit denen wir in „normalen Zeiten“ auch arbeiten?

Kommt draufan, würde die Juristin anworten. Nämlich darauf, ob in dem „normalen“ Management-Team alle Kompetenzen vertreten sind, sie es in der besonderen Lage braucht. Das ist bei vielen Organisationen so direkt nicht gegeben, weshalb ein Krisenstab gebildet wird, der quasi als „ad hoc“-Management-Formation bereit steht, um einen Ereignisfall zu lösen.

 

Aber wer gehört in einen solchen Stab?

Das muss letztlich jede Organisation für sich entscheiden. Hier aber einige Gedankenanstösse.

 

Wer ist der Chef? Die Chefin?

Klassischerweise ist die Stabsarbeit an der Spitze so organisiert, dass der/die Leiter/in Krisenmanagement die Entscheidungen trifft. Im Militär oder den Blaulichtorganisationen, wo die Stabsarbeitsprozesse herkommen, sind das die Komandanten. Sie entscheiden und tragen auch die Verantwortung für die Entscheidungen. Das Entscheiden ist denn auch ihr Kerngeschäft.

Die Arbeit in einem Stab wird allerdings nicht direkt von der Entscheidungsträgerin geleitet, sondern vom Stabschef – oder der Stabschefin. Das ist die Führungsperson, welche den Prozess leitet und die dafür verantwortlich ist, dass für die Entscheiderin oder den Entscheider rechtzeitig die Entscheidgrundlagen erarbeitet werden.

Der Stabschef muss deshalb auch kein Spezialist im Kerngeschäft sein, das die Organisation betreibt. Sondern ein Spezialist in Stabsarbeit. Aus diesem Grund können Stabschefs auch als externe Dienstleister im Ereignisfall zugezogen werden. Tipp: Es ist gleichwohl natürlich von Vorteil, wenn ein solcher externer Stabschef die Organisation schon kennt, weil er beispielsweise bei der Erarbeitung des Krisenmanagements oder bei Stabsübungen schon dabei war.

Die weiteren klassischen Funktionen

 

Legal/Recht

Kaum eine Ereignislage führt nicht zu Rechtsfragen, die geklärt werden müssen: Arbeitsrecht, Datenschutzrecht, Strafrecht, das sind so mit die häufigsten Rechtsdisziplinen, die dabei zur Anwendung kommen. Neben den spezifischen Rechtsgebieten, je nach Branche. Deshalb ist Legal, Recht, Compliance oder wie immer die Disziplin heisst aus dem Kernstab nicht wegzudenken. – Und falls das Know-How intern nicht vorhanden ist, macht es Sinn, sich schon beim Aufbau eines Krisenmanagements die Fachanwältinnen und -anwälte zu suchen, mit denen man im Eintretensfall arbeiten möchte.

 

HR/Personal

Gleiche Begründung wie oben: Kaum eine Krisenlage betrifft nicht in irgendeiner Weise zumindest einen oder auch gleich mehrere Mitarbeiter/innen. Und: In der Praxis wird die operative Mitarbeiter-Kommunikation oftmals über HRM/Personal wahrgenommen, um die Krisenkommunikation zu entlasten. Ein Grund mehr, sie auf jeden Fall am Tisch zu haben.

 

Finanzen

Ein Ereignis, dass zwar den Krisenstab auslöst, aber nichts kostet? – Kaum denkbar. Deshalb sind in aller Regel auch die Finanzen mit am Tisch im Krisenmanagement. Und zwar regelmässig im Kernstab.

 

Safety & Security

Je nach Ereignis spielen sie die Hauptrolle: Bei einem Brandfall, einem Amoklauf, einer Drohung, einem Arbeitsunfall: In allen diesen Fällen ist die interne Sicherheit gefragt und bildet meist auch gleich die Schnittstelle zu den externen Organisationen wie Polizei, Staatsanwaltschaft, Feuerwehr, Sanität, SUST, etc.

 

Kommunikation

Natürlich ist die beste Krisenbewältigung meist die, welche gar nie ins Rampenlicht der Medien-Öffentlichkeit gezerrt wird. Gleichwohl sollte die Kommunikation bei jedem Ereignisfall mit am Tisch sitzen. Einerseits, um den Finger heben zu können, wenn Massnahmen diskutiert werden, die das Risiko einer Skandalisierung in sich tragen (der Klassiker: Ein Whistleblower soll fristlos entlassen werden…). Und oft auch bei einer restriktiven Kommunikationspolitik mögliche Massnahmen zumindest in Form von vorbehaltenen Entschlüssen vorbereitet – auch wenn sie am Ende nie gebraucht werden.

 

Informatik?

Die Praxiserfahrung zeigt: In vier von fünf Krisenlagen spielt die IT eine Rolle. Compliance-Verstösse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beispielsweise werden oft über die Informatikmittel des Betriebs begangen. Die IT hilft dann, Beweismittel zu sichern. Bei Cyber-Attacken geht es sowieso um IT-Fragen. Vielleicht hat aber auch einfach ein technischer Ausfall eines IT-Systems eine Ereignislage provoziert? Fazit: In vielen Kernstäben ist die IT heute bereits fest verankert und wird im Falle einer Alarmierung gleich mit aufgeboten.

 

Kern- und erweiterter Krisenstab

Die beschriebenen Funktionen bildet heute in vielen Betrieben den Kern-Krisenstab. Will heissen: Sie werden bei einer Alarmierung automatisch mit an den Tisch geholt, weil ihre Kompetenzen praktisch in jeder ausserordentlichen Lage gebraucht werden. Darüber hinaus kann der Krisenstab dann um diejenigen Funktionen erweitert werden, die konkret betroffen sind.

 

Nicht zu vergessen: Die Führungsunterstützung

Im normalen Leben heisst es: Sekretariat, oder Corporate Office. Gemeint sind die vielen helfenden Hände im Vorzimmer, ohne die nix geht. Im Krisenmanagement nennen wir sie „Führungsunterstützung“. Sie richtet im Ereignisfall die Rapporträume her und kümmert sich um die Infrastruktur, führt Protokoll und/oder das Ereignisjournal, bearbeitet ein- und ausgehende Meldungen im Lagezentrum, usw. Je nach Organisation kann ein Führungsunterstützungsteam durchaus mal 50 Personen umfassen. – Also: Nicht vernachlässigen.