Musterlösung krisenkommunikation & -management
Tödlicher Kindertee
Disclaimer:
Musterlösungen zu unseren Szenarien sind immer als eine Möglichkeit zu sehen, wie die Krisenlage angegangen werden kann. Unsere Musterlösungen erheben nicht den Anspruch, den alleine glückselig machenden Weg zur einer raschen Bewältigung einer Krise darzustellen..
Aufgabe 1:
Überlegen Sie das Wording der ersten Stunde
Vorschlag
Unter dem Wording der ersten Stunde verstehen wir die Kernbotschaft, welche der Krisenstab im Sinne einer Sofortmassnahme als eine der ersten Entscheidungen trifft. Das Wording der ersten Stunde dient dazu, widersprüchliche Aussagen gleich zu Beginn einer Krise zu verhindern und alle Involvierten auf eine gemeinsame Sprachregelung «einzuschwören». Was für alle Sofortmassnahmen gilt, gilt auch für das Wording der ersten Stunde: Es darf keine späteren Entscheide des Krisenstabes oder der Krisenkommunikation präjudizieren. Entsprechend muss ein Wording der ersten Stunde meist noch relativ offen und unverbindlich bleiben.
Wichtig beim Wording der ersten Stunde ist, die vorhandenen Informationen gleichsam schon zu verifizieren, bevor sie verwendet werden. Es ist eine Konstante jeder Krisenlage, dass ganz zu Beginn widersprüchliche Informationen vorhanden sind und/oder Gerüchte und Spekulationen ins Kraut schiessen. Die Literatur hat für diese Phase den Begriff «Chaosphase» geprägt. Wenn sich die Krisenkommunikation in dieser Phase Fehler leistet (z.B. indem sie Falschinformationen verbreitet), kann das die spätere Krisenbewältigung wesentlich beeinträchtigen.
Im vorliegenden Szenario könnte ein Wording der ersten Stunde zum Beispiel lauten:
«Wir sind sehr betrübt darüber, dass in Spanien zwei Babys gestorben sind. Wir haben sofort Nachforschungen in Auftrag gegeben, um sicherzustellen, dass diese Fälle nichts mit unseren Produkten zu tun haben. Bis diese Resultate vorliegen, dauert es allerdings einen Moment. (Allenfalls: Wir haben deshalb für diese Zeit unser Produkt in Spanen zurückgerufen und aus den Gestellern genommen).»
Aufgabe 2:
Der Krisenstab diskutiert zurzeit die beiden Varianten, die Tees zurückzurufen, oder aber solange nichts zu unternehmen, bis die Todesfälle aufgeklärt sind. Sie haben den Auftrag, eine Lagebeurteilung für beide Varianten vorzunehmen und die Kommunikations-Chancen /-Risiken für beide Varianten gegenüberzustellen.
Vorschlag
Variante Rückzug | Variante «Nichts tun» |
Positiv | |
– Kein Risiko, dass weitere Babys sterben und diese Todesfälle uns angelastet werden – Bei guter Kommunikation: Wahrnehmung als verantwortungsvoller Anbieter, der Gesundheit über Profit stellt (analog dem Beispiel Evian |
– Keine oder wenig finanzielle Einbussen, solange alles «ruhig bleibt» – Einschätzung der Experten stützt die Sicht, dass ein Produktfehler sehr unrealistisch ist |
Negativ | |
– Kann die Kundschaft verunsichern (in Spanien, aber auch unsere Vertriebspartner im Rest von Europa) – Hohe Kosten ohne Aussicht auf Entschädigung durch die spanischen Behörden – Möglicherweise Kündigung von Verträgen von Absatzpartnern – Ein Rückzug könnte den Eindruck erwecken, unser Produkt sei tatsächlich für die Todesfälle verantwortlich |
– «Worst Case»: Es stellt sich heraus, dass unser Produkt ursächlich ist für die Todesfälle – Noch schlimmer: Es sind weitere Babys gestorben, weil wir nicht reagiert hatten – Vorwurf, wir hätten auf Kosten von Menschenleben unseren Profit maximiert |
Aufgabe 3:
Bereiten Sie ein Interview für beide Varianten des Krisenstabs vor.
Vorschlag
Der nachfolgende Vorschlag basiert auf dem 5-Punkte-Vorbereitungs-Programm, wie es im ersten der beiden Webinare beschrieben ist.
Lagebeurteilung / Situation
- Bislang sind noch keine Medienanfragen eingegangen, es muss aber jederzeit damit gerechnet werden, dass solche eingehen. Aufgrund der Thematik muss insbesondere aus Spanien und der Schweiz (aufgrund des Unternehmensstandorts) mit Anfragen gerechnet werden. Der Tod von Kleinkindern und Babys ist hochemotional und hat einen hohen Nachrichtenwert. Besonders belastend wäre es, wenn von Seiten betroffener Eltern Vorwürfe gegen die Teapolis AG gemacht würden.
- Eine Ausweitung der Berichterstattung auf andere Länder ist nicht ausgeschlossen, insbesondere nicht, falls sich der Verdacht, dass unser Produkt für die Todesfälle ursächlich war, wider Erwarten verdichten würde.
- Ohne Rückzug sind sicherlich kritischere Fragen zu gewärtigen in Richtung: «Wieviele Kinder müssen noch sterben, bis sie handeln?»
Entscheid Go / No Go
- Die Todesfälle sprechen dafür, dass wir aus Gründen der Pietät auf hoher hierarchischer Ebene kommunizieren. Konkret: Geschäftsleiter.
- Bei beiden Varianten ist es nicht falsch, wenn die Wahrnehmung vorherrscht, dass das Problem bei uns «Chefsache» ist und auf höchster hierarchischer Stufe angegangen wird.
- Eine Verweigerung würde wohl in die Richtung interpretiert, dass wir uns «verstecken» und deshalb wohl auch «etwas zu verstecken haben».
- Wichtig ist: Keine Entschuldigung und kein Sorry für die Todesfälle, solange wir davon ausgehen, dass unsere Produkte nicht ursächlich sind.
Kernbotschaft
Unsere Botschaft ist:
Wir fühlen mit den Betroffenen mit – was hier passiert ist, gehört wohl zum Schlimmsten, was einer Familie widerfahren kann. Gleichwohl sind wir auf der Basis der gegenwärtigen Informationen davon überzeugt, dass unsere Produkte kaum die Ursache sein können. Um auf Nummer sicher zu gehen, haben wir aber umgehend die Proben aus dieser Produktion ins Labor gegeben, um sie zu testen.
Und allenfalls ergänzend: Und bis wir alle Resultate haben, haben wir die Produkte aus den Ladengestellern genommen und schon verkaufte Tees zurückgerufen.
Dresscode / Setting
- Dresscode: klassisch, allenfalls im Labormantel mit Hygiene-Schutzausrüstung
- Settings: Bei allfälligen Medienauftritten im TV soll die Marke der Muster AG (Logos, Firmengebäude, etc.) möglichst diskret oder gar nicht zu sehen sein. Aussagen im Labor-Umfeld wären passend.
Probe-Durchgang